Was ist das Wilde? Suchen wir es – oder versuchen wir, es zu zähmen? Wo beginnt es, auch in uns selbst – und wo endet unsere Kontrolle? LAST of the WILD nimmt das Publikum mit auf eine filmische Gedankenreise: Mit feinem Gespür und ruhigem Blick beobachtet der Film drei Menschen auf drei Kontinenten, deren Lebenswege nicht unterschiedlicher sein könnten, und verwebt sie zu einem Panorama über das, was wir "wild" nennen – und oft nicht mehr verstehen.
Die deutsche Raubtiertrainerin Carmen Zander lebt mit fünf ausgewachsenen Tigern zusammen, die sie liebevoll "Mäuse" nennt. Zwischen Maniküre und dem Zerteilen roher Fleischbrocken sowie dem mühelosen Lenken eines Lkws sehen wir die enge Beziehung der "Tigerqueen" zu diesen riesigen Tieren. Momente der Nähe, die keine Sekunde Kontrollverlust erlauben – ein Balanceakt mit dem Unzähmbaren, ein faszinierendes und zugleich ambivalentes Zusammenspiel, das in wunderschönen, ruhigen Bildern ohne Effekthascherei festgehalten wird.
Der Wildhüter Pavel Fomenko wiederum ist ein stiller Beobachter in der Weite der Taiga. Für den WWF schützt er die letzten freilebenden Amur-Tiger im fernen Südosten Russlands – mit Geduld, Genauigkeit und Demut. Die tiefe Narbe in seinem Gesicht zeugt von einem "Tigerkuss", seine Arbeit ist fern von Romantik – und gerade dadurch eindrucksvoll. Mit der Kamera folgen wir ihm bei seinen täglichen Aufgaben, von der genauen Spurensuche im dichten Unterholz bis hin zu den Momenten der Reflexion, die seine Arbeit begleiten. Seine gefährliche und feinsinnige Arbeit zeigt, wie zerbrechlich das Wilde geworden ist – und wie viel Wissen nötig ist, um es zu erhalten.
María José Cristerna aus Mexiko hat sich das Wilde selbst erschaffen. Als Überlebende von jahrelang andauernder häuslicher Gewalt entschied sie sich, ihren Körper radikal zu verändern: Tattoos, Piercings und Implantate waren ein kraftvoller Akt der Befreiung aus der missbräuchlichen Beziehung. Die heute als "Jaguarkriegerin" bekannte feministische Körperaktivistin, Sängerin, Tätowiererin, Juristin, vierfache Mutter und Großmutter nutzt ihr auffälliges Erscheinungsbild, das ihren Bezug zu den präkolonialen Kulturen Mexikos verkörpert, um auf Gewalt aufmerksam zu machen und andere zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen.
LAST of the WILD verknüpft die drei Lebensentwürfe durch eine assoziative und spannende Erzählweise samt philosophischer Fragen, die ruhig-beobachtende und poetische Kameraarbeit lädt dazu ein, das Wilde in all seiner Vielfalt und Ambivalenz zu sehen: nicht heroisierend und reißerisch, sondern kraftvoll und auf Augenhöhe. Eine Einladung, unser Verhältnis zur Unbändigkeit der Natur zu hinterfragen, das Wilde zu erkennen und wieder zuzulassen – auch in uns selbst.