Kulturelle Aneignung ist Diebstahl, heißt es im antirassistischen Diskurs. Jäger*innen des Neuen und
unbedachte Multikulti-Fans plündern in neokolonialer Manier marginalisierte Kulturen, um eigene
Lebensstile oder Werke zu bereichern. Sei es durch Rastazöpfe auf weißen Köpfen, Twerking-Importe
in Popvideos oder die Einverleibung indigener Traditionen. Beklagt und geächtet wird in der Regel
eine westlich-hegemoniale Popkultur, die kulturelle Ressourcen aus dem globalen Süden zu
Warenfetischen degradiert, sich nicht um Zugehörigkeiten kümmert und Kulturen oder Autor*innen
nicht den gebührenden Respekt zollt – geschweige denn einen angemessenen Preis dafür bezahlt.
Diese Kritik an der Cultural Appropriation leuchtet intuitiv ein. Nichtdestotrotz hieß es auch einmal:
Nicht die Aneignung, sondern Eigentum ist Diebstahl. Demzufolge steht Aneignung in der
historischen Appropriation Art im Museum wie auch in der heutigen Popkultur für eine Praxis, die
sich gegen als unangemessen oder überkommen empfundene Besitzstände zur Wehr setzt, die
Samples, Remixe, Versioning, Copyrightpiraterien, kollektive Autor*innenschaften, Copy & Paste-
Verfahren und Memekulturen feiert und die Scheidung von Fremdem und Eigenem nachhaltig
irritiert.
Der Festivaltitel Stealing the Stolen ruft den Umstand in Erinnerung, dass es keine Essenz von Kultur
gibt - und somit auch keine Entwicklung ohne (Wieder-)Aneignungsprozesse von Nicht-Zugehörigem,
Verlorenem oder zuvor schlicht nicht Verfügbarem. Alles bleibt anders, immer schon. Counter
Appropriations, also Gegenaneignungen und Wiederaneignungen, könnten sich in einer befreienden
Praxis "von unten und anderswo" finden, die sich jenseits der Vorstellung von Besitz und Diebstahl
bewegt. Stealing the Stolen vertraut auf die Kraft von Gegenaneignungen - gegen hegemoniale
Formen und für neue Verbindungen. Das Programm will nicht stehlen, sondern bereichern und
Inspirationen statt Ächtungen bezeugen.
An zwei verlängerten Wochenenden im Spätfrühling versetzt das donaufestival die kleine Stadt
Krems an der Donau in einen Ausnahmezustand. Das einzigartige Festivalformat präsentiert
abenteuerliche Ästhetiken und Vibrationen zwischen Musik, Performance, Bildender Kunst, Film und
Diskurs. An sechs dichtprogrammierten Tagen lassen sich mit Tages- oder Mehrtagespässen an die 20
Veranstaltungen pro Tag an vielen unterschiedlichen Orten entlang der Kunstmeile Krems erleben:
vom Minoritenplatz in Stein über den Museumsplatz bis zum Kino beim Kesselhaus am Campus
Krems, vom zentral am Stadtpark gelegenen Messegelände bis zum Dominikanerplatz. Ganz Krems
wird so zu einem national wie international vielbeachteten, pulsierenden Hotspot für
Gegenwartskunst jenseits aller Genregrenzen.