Threnos über die Leiden seiner Seele
Die umfangreichen Predigten und Reden des Gregor von Nazianz (des Jüngeren, 329–390 n. Chr.), des Bischofs mit dem Ehrennamen "der Theologe", sind kontinuierlich Gegenstand der Forschung. Weniger beachtet wird allerdings sein dichterisches Werk von ca. 17.000 Versen, das er vor allem in seinen späteren Jahren schuf und mit dem er auf seine Weise die Kirche mit Poesie und Bildung versöhnte. Dabei zeigt Gregor gerade in seiner Dichtung seine durchaus komplexe Persönlichkeit und die autobiographischen Elemente des Threnos über die Leiden seiner Seele werden oft neben die Confessiones des Augustinus gestellt.
Bernd Lorenz übersetzt erstmals den Threnos (Carmen II, 1, 45) ins Deutsche und überprüft den Text durch die Lesarten der Handschriften. Die Gesamtschau dieses wesentlichen Gedichtes macht das lebenslange Ringen des Bischofs in der Lebensführung zwischen dem Einsiedlerdasein und der Tätigkeit als Patriarch besonders deutlich – insbesondere den kontinuierlichen seelischen Kampf zwischen Gut und Böse oder gegen die ständigen Verlockungen des Bösen und sein unerschütterliches Vertrauen auf Gott. Der Threnos ist geradezu ein Dokument für die grundlegende Bedeutung des Glaubens.