Warum ich trotzdem Christ bleibe
Was kann das 21. Jahrhundert eigentlich von gläubigen Menschen lernen?
Das ist (endlich!) mal eine andere Veröffentlichung - und dazu ist sie äußerst erfolgreich!
Tobias Haberl (geboren 1975, studierte Latein, Germanistik, Anglistik), Buchautor und
zuerst freier Journalist, jetzt seit langen Jahren Redakteur der "Süddeutschen Zeitung",
schreibt über die positiven und erstrebenswerten Aspekte von Glaube und Religion.
Der Titel ist so knackig wie aggressiv: Unter Heiden (was die Nicht-Christen meint).
Tobias Haberl schreibt hier eine Autobiographie auf dem Hintergrund seines katholischen
Glaubens - nicht als mustergültiger Christ, der er nicht war, sondern als Mensch, der
immer versucht hat, sich auf Gott einzulassen. Geboren 1975 im Bayerischen Wald
wuchs er in einem kleinen Dorf auf, in dem das kirchliche Leben sozusagen selbstverständlich
war. Auch in seiner Familie wurde der Glaube vorgelebt, beginnend mit seinem Vater,
einem Landarzt, nicht durch große Reden verkündet oder gar problematisiert. In dieser
positiven Tradition bildete das kirchliche Leben die Grundstruktur der Gemeinschaft.
Das Heute zeigt hier in allem einen grundsätzlichen Traditionsbruch - und zwar innerhalb
weniger Jahrzehnte.Aus dem oft selbstverständlichen Glauben wurde in vergleichsweise
wenigen Jahren ein selbstverständlicher (zumindest offizieller bzw. steuerrechtlicher)
Nicht-Glaube. Wichtiges Argument ist in allen Bevölkerungskreisen der Mißbrauchsskandal,
natürlich. Diese Schrecklichkeit macht auch die Menschen stumm, die christlich denken.
Und das führt dazu, daß Christen sich quasi "allein auf weiter Flur fühlen" beziehungsweise
es tatsächlich sind - wie es auch der Autor immer wieder von neuem erlebt.
Für einen Katholiken stellt sich immer wieder die Frage der Liturgie, so auch bei T. Haberl.
In einem überraschend ausführlichen Kapitel. Er skizziert die Polarität zwischen der
traditionellen Messe und der Messe nach dem Konzil (1962-1965) und beschreibt, dass er
beide Formen geradezu abwechselnd schätzt und liebt. Dazu gibt er einen durchaus
zukunftsweisenden Hinweis auf die gedankliche Struktur vieler moderner Menschen, die eben
politisch: liberal und zugleich liturgisch: traditionell sein können. Lernfeld für die Kirche....
Ziel des Autors ist, die Frage zu stellen bzw. erneut zu beleben, welche Bedeutung der
christliche Glaube hat in einer Gesellschaft, die religiös bestenfalls schweigt oder ihre
Ablehnung äußert. Es geht in diesem Buch nicht vorrangig um den Glauben eines Einzelnen,
sondern durchaus um den Nutzen des Glaubens für eine Gesellschaft, die historisch gesehen
vom Christentum geprägt ist, aber dies gering schätzt oder nicht wahrhaben möchte.
Warum gibt es keine Neugier auf das, das der Glaube (an)bietet? Angefangen vom Kirchenraum
und dessen Atmosphäre von Ruhe und Langsamkeit, von der Einladung, zur Ruhe zu kommen?
Warum nicht die Gelassenheit, ja sogar die Gebete des Glaubens ausprobieren? Statistiken
zeigen, dass gebetet wird auch über den Kreis der offiziell Gläubigen hinaus.
Unter Heiden ist eine anregende Lektüre für Gläubige und Nicht-Gläubige!!