Kult-Kanzler Kreisky: Mensch und Mythos So, 06.10.2024
Die Neuauflage des Kreisky-Buches des bekannten Journalisten Christoph Kotanko hatte als Redaktionsschluss den Sommer 2024: Das bedeutet: Die historische Niederlage der Partei von Kreisky - SPÖ als dritt"stärkste" Partei - ist hier noch nicht eingetreten, kündigt sich aber an.

Was bedeutet dies für das vorliegende gelungene Buch? Diese geradezu zeitgeschichtliche Sammlung von Fakten, Gesprächen, Überlegungen, mit wertvollen Ergänzungen wie einem Personenregister (4 S., nicht ganz vollständig), einem Literaturverzeichnis (4 S., umfaßt erfreulicherweise auch neueste Literatur) und dazu einer Zeittafel (8 S.).

Die Ära Kreisky wird auch hier dargestellt von 1967 bis 1983 (Rücktritt als Bundeskanzler. Man kann hier - im Gegensatz zu eher inflationärem Wortgebrauch in der Gegenwart - wirklich von einer Ära sprechen, mit oft verwirklichten Visionen zu Politik und Gesellschaft, "gekrönt" von absoluten Mehrheiten für seine Partei. Und da geschichtliche Betrachtung immer auch nach Strukturen fragt: Der "Zeitgeist" fand sich in der SPÖ und dem Kanzler, ohne dass Bruno Kreisky in jedem Fall als "Parteisoldat" gehandelt hat, sondern dazu in vielen weltpolitischen Bereichen als Weltpolitiker anerkannt wurde. Nicht zuletzt seine Aktivitäten zum Nahen Osten waren bemerkenswert, ganz besonders der (lange umstrittene) Kontakt zu den Palästinensern. Vielleicht wären gerade die derzeitigen Krisen/Kriege in Nahost eine Kreisky-gemäße Situation!

Politik war gewiss das zentrale Thema seines Lebens - und er hatte auch Freude am politischen Gestalten, das er mit großer Verantwortung wahrnahm. Er schuf Österreich eine Reformepoche. In seinen Wahlprognosen war er vorsichtig und zurückhaltend - und ließ sich positiv überraschen.

Sehr positiv empfinde ich auch die Bedeutung, die Josef Klaus, dem ÖVP-Kanzler und Vorgänger Kreiskys, eingeräumt wird. Dem durchaus bedeutenden Kardinal Franz König, Ehrenbürger von Wien seit 1968 und wichtigem Gesprächspartner, wird allerdings nur eine Erwähnung "gegönnt". Beim Menschen Bruno Kreisky wird im Buch durchaus wenig über seinen jüdischen Hintergrund gesprochen - außer der topischen Feststellung, dass er sozusagen extrem assimiliert war und sich als Agnostiker verstand. Verschwiegen wird in der Regel, dass er Hebräisch lesen und schreiben konnte. Seine Leitidee war danach endgültig der Sozialismus.

"Kreisky forever?" ist ein Abschnitt schon zu beginn diese lesenswerten Buches überschrieben und diese Frage möchte ich eindeutig mit "Ja" beantworten, mit Blick auf die Persönlichkeit und die Geschichte der Zweiten Republik.