Die Neuauflage des Kreisky-Buches des bekannten Journalisten Christoph Kotanko hatte als
Redaktionsschluss den Sommer 2024: Das bedeutet: Die historische Niederlage der Partei von
Kreisky - SPÖ als dritt"stärkste" Partei - ist hier noch nicht eingetreten, kündigt sich aber an.
Was bedeutet dies für das vorliegende gelungene Buch? Diese geradezu zeitgeschichtliche
Sammlung von Fakten, Gesprächen, Überlegungen, mit wertvollen Ergänzungen wie einem
Personenregister (4 S., nicht ganz vollständig), einem Literaturverzeichnis (4 S., umfaßt
erfreulicherweise auch neueste Literatur) und dazu einer Zeittafel (8 S.).
Die Ära Kreisky wird auch hier dargestellt von 1967 bis 1983 (Rücktritt als Bundeskanzler.
Man kann hier - im Gegensatz zu eher inflationärem Wortgebrauch in der Gegenwart - wirklich
von einer Ära sprechen, mit oft verwirklichten Visionen zu Politik und Gesellschaft, "gekrönt"
von absoluten Mehrheiten für seine Partei. Und da geschichtliche Betrachtung immer auch
nach Strukturen fragt: Der "Zeitgeist" fand sich in der SPÖ und dem Kanzler, ohne dass Bruno
Kreisky in jedem Fall als "Parteisoldat" gehandelt hat, sondern dazu in vielen weltpolitischen
Bereichen als Weltpolitiker anerkannt wurde. Nicht zuletzt seine Aktivitäten zum Nahen Osten
waren bemerkenswert, ganz besonders der (lange umstrittene) Kontakt zu den Palästinensern.
Vielleicht wären gerade die derzeitigen Krisen/Kriege in Nahost eine Kreisky-gemäße Situation!
Politik war gewiss das zentrale Thema seines Lebens - und er hatte auch Freude am politischen
Gestalten, das er mit großer Verantwortung wahrnahm. Er schuf Österreich eine Reformepoche.
In seinen Wahlprognosen war er vorsichtig und zurückhaltend - und ließ sich positiv überraschen.
Sehr positiv empfinde ich auch die Bedeutung, die Josef Klaus, dem ÖVP-Kanzler und Vorgänger
Kreiskys, eingeräumt wird. Dem durchaus bedeutenden Kardinal Franz König, Ehrenbürger von
Wien seit 1968 und wichtigem Gesprächspartner, wird allerdings nur eine Erwähnung "gegönnt".
Beim Menschen Bruno Kreisky wird im Buch durchaus wenig über seinen jüdischen Hintergrund
gesprochen - außer der topischen Feststellung, dass er sozusagen extrem assimiliert war und
sich als Agnostiker verstand. Verschwiegen wird in der Regel, dass er Hebräisch lesen und schreiben
konnte. Seine Leitidee war danach endgültig der Sozialismus.
"Kreisky forever?" ist ein Abschnitt schon zu beginn diese lesenswerten Buches überschrieben und
diese Frage möchte ich eindeutig mit "Ja" beantworten, mit Blick auf die Persönlichkeit und die Geschichte der Zweiten Republik.