Eine Reise in das Land der koptischen Märtyrer
Der erneute Gaza-Konflikt seit dem 7. Oktober 2023 mit seinen Abertausenden Toten
und Verwundeten lenkt den Blick erneut betroffen und intensiv auf die Länder des Nahen
Ostens, besonders Israel, die Palästinensergebiete, Libanon, Jordanien und Iran.
Ein Staat, der hauptsächlich betroffen und beteiligt ist, steht oft im Schatten der
detaillierten Betrachtung: Ägypten, die orientalische Großmacht angesichts der Zahl
ihrer Einwohner und - nicht zuletzt - ihrer Herrschaft über den Suez-Kanal.
Ägypten, einer der ältesten Kulturstaaten der Erde, ist keineswegs der politische und
gesellschaftliche Monolith, als den ihn besonders die westlichen Staaten gerne sähen.
Martin Mosebach, geboren in Frankfurt/Main 1951, zunächst Jurist, seit 1983 Schriftsteller,
Preisträger zahlreicher Preise (darunter der Georg-Büchner-Preis) und Mitglied einiger
wissenschaftlicher Akademien, legt hier ein Reisetagebuch voller Reflexionen vor.
Blickpunkt und äußerer Rahmen ist dabei die Hinrichtung der 21 Wanderarbeiter, die
fast alle aus einer Ortschaft (klassisch: Dorf!) stammen und hier in derselben Straße
wohnten. Also - soziologisch gesehen - Angehörige einer Unterschicht, die zum Geld
verdienen ins Ausland gehen, hier nach Libyen. Und hier werden sie von fanatischen
Muslimen ihres christlichen Glaubens wegen ermordet : Aus Treue zu ihrer koptischen
Kirche, die seit der Frühzeit des Christentums den alten Glauben und die alte Lturgie
bewahrt hat. So unauffällig sie gelebt haben, ihre Kirche hat sie zu Martyrern erklärt.
Der Autor zeichnet das kurze Leben dieser 21 nach und zeigt dabei ihre Mentalität: treu
zur Kirche und im Bewußtsein, die "eigentlichen" Ägypter im Gegensatz zu den Nachkommen
der arabischen Einwanderung (des 7. Jahrhunderts n. Chr.) zu sein.
Mosebach führt Gespräche auch mit Bischöfen und skizziert ebenso den Riesen-Unterschied
zwischen Stadt und Land, zwischen muslimischen Großstadtbewohnern und Fellachen.
Das höchst lesenswerte Buch - ein "Spiegel-Bestseller" - wurde auch in andere Sprachen
übersetzt, so zuletzt 2022 ins Slowenische und 2023 ins Finnische.Das Buch eines der
wichtigsten deutschen zeitgenössischen Autoren leistet auch weiterhin gute Dienste
zum tieferen Verständnis der ägyptischen Gesellschaft und Politik - neben der Erinnerung
und dem Blick auf ähnlich schreckliche Vorkommnisse in neuesten Tagen.