Professor Grayling, geb. 1949, u.a. Mitglied der Königlichen Gesellschaft für Literatur und
der Königlichen Gesellschaft der Künste, ist zweifellos einer der bedeutendsten Autoren
und Gelehrten der Gegenwart. Das langjährige Mitglied des Weltwirtschaftsforums
verfaßte bereits über dreißig Bücher über Philosophie, Geschichte, Wissenschaft und
Zeitgeschehen. Sein neues Buch ist großartig in seiner inhaltlichen Weite und zugleich
Verständlichkeit, optimistisch schreibt er: "Da dies ein Buch für interessierte Laien ist,
setze ich keine Vorkenntnisse voraus" (30 f.).
Seine Aussage ist: "Während man früher glaubte, jeder Wissensfortschritt verringere
unsere Unwissenheit", nimmt jedoch mit Zunahme des Wissens "unser Unwissen zu" (9, vgl. 400).
Dabei geht es um 12 Probleme der Forschung (18-20, vgl. 403).
Als beispielgebende Bereiche erläutert A. C. Grayling nun in seinem Werk
"die Naturwissenschaft - genauer die Grundlagenphysik und die Kosmologie -, die Geschichts-
wissenschaft - genauer die Geschichte der vor klassischen Vergangenheit und der menschlichen
Evolution - und die Psychologie - genauer die Neurowissenschaften von Gehirn und Geist" (10).
Auffallend sind allerdings Aussagen wie "Wir können aber von Natur aus mathematisch denken" (148)
und ähnlich: "Die Gleichungen der Physik scheinen im geheimen Herzen der Natur eine Mathematik
zu repräsentieren" (149). Und für naturwissenschaftliche Betrachtung noch poetischer klingt:
"Die Eigenschaften von Wasser sind auf wundersame Weise geeignet, die Entstehung von Leben
zu begünstigen" (162). "Natur" und "Wunder" bleiben uns also erhalten!
Für mich als Klassischem Philologen ist natürlich der Bereich Geschichte am ehesten zugänglich.
So notiere ich zum Aspekt: Ende der Geschichte natürlich die Verweise auf Hegel und Marx. Doch
"Religiöse Versionen dieser Sichtweise sahen und sehen ein Ende der Welt vor" (237).
Chronologisch ist es allerdings umgekehrt: Den religiösen Darstellungen folgen die säkularen.
Oder S. 238: "Ein umfangreicher Sklavenhandel über den Atlantik, der den arabischen in Ostafrika
in den Schatten stellte" sollte doch ergänzt werden durch den arabischen im Bereich der Sahara,
der dem Handel über den Atlantik die Sklaven "lieferte".
Wichtig sind natürlich auch die Überlegungen (264) zur Erforschbarkeit von Geschichte und
deren Darstellung im Geschichtsunterricht: Sollten hier die Kämpfe in und um Benin, den
Sklavenhalterstaat, vorkommen oder die Kämpfe im arabischen Bereich?
Die Frage nach der Religion hat G. (77-79) eher ausführlich skizziert, seine negative Meinung
dazu mehrfach deutlich einfließen lassen. So beispielsweise zum Okkasionalismus, es
"könnte zweifellos selbst eine Gottheit in solchen Situationen bedauern, die Welt geschaffen
zu haben" (321). So schreibt er zu Bewußtsein (359), ein dem Körper innewohnendes
Prinzip "einer Seele oder einem Geist (mit der charmanten, dem britischen Humor (?) geschuldeten
Zusatz: die alte Leier)"..."ein Bewußtsein ohne Körper, zum Beispiel nach dem leiblichen Tod" (360).
Es wäre vielleicht fair gewesen, auf der Umschlagbeschreibung festzuhalten, daß A.C. Grayling ein
international führender Atheist ist. (Das wird wohl bei jedem Theologen als Autor analog gehandhabt.)
Und zum Abschluß der Überlegungen des Autors (401): "Wahrheit ist der Begriff für ein Ideal,
auf das die Forschung mit allen Kräften hinarbeitet" .
Sehr hilfreich ist das ausführliche Auswahlregister (438-445).