Im Oktober 2020 lädt BURN-IN zu der zum Reflektieren anregenden Ausstellung Herr Biedermeier und Frau Grün mit Ellen Semen (Österreich) ein und zeigt zwei Werkserien, die vordergründig völlig diametral angelegt sind, bei näherer Betrachtung jedoch vieles gemein haben.
Die in Hamburg geborene, seit 20 Jahren in Wien lebende Künstlerin hat kroatische Wurzeln und ist eine wunderbare Geschichtenerzählerin. Mit ihren gesellschaftskritischen Arbeiten erlangt sie große soziopolitische Bedeutung und führt mit ihrem Gesamtwerk und in der aktuellen Ausstellung klar vor Augen, welche Entwicklungen global schieflaufen. Sie scheut sich nicht, Stellung zu beziehen, zu kritisieren. Die positive Ausstrahlung aller Werke vermittelt aber stets Hoffnung und Zuversicht auf eine positive Wende.
Der Werkzyklus Florale Militanz entstand bereits ab 2005 und thematisiert in idyllisch anmutenden Szenerien eine Vielzahl brisanter Themen unserer Zeit. Hier spielt Semen mit der facettenreichen Schönheit der Natur, mit wunderbarem Grün, Blau und Gelb, das völlig überraschend auf militante Figuren und Körper (Atompilz, Manga Figuren...) trifft. In der Arbeit Wahrscheinlichkeit 1:3 symbolisieren unzählige leuchtend gelbe Sonnenblumen, die mehr als 200.000 Opfer der US-amerikanischen Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Im imposanten Diptychon Uups..., man-eating (200 x 500 cm) ließ sich Semen von der Bildsprache und Ästhetik des Filmklassikers Kill Bill (Quentin Tarantino)inspirierenund setzt auf eine Manga Figur, die unmissverständlich und mit voller Kraft ihre Message transportiert.
Biedermeier Reloaded (Arbeiten ab 2016) setzt sich mit den österreichischen Künstlern der Biedermeierzeit (Waldmüller, Danhauser, Fendi und Kupelwieser) auseinander. Das neue Biedermeier, Faith Popcorns Cocooning der Neunziger, erlangt gerade durch die Corona Pandemie wieder eine enorme Renaissance. Der Rückzug ins traute Heim scheint für viele die ultimativste Form zur Krisenbewältigung.
Doch Semen entzaubert diese romantische Vorstellung in vielen ihrer Arbeiten. Im Kinderzimmer (2020 angelehnt an Josef Danhauser) verkehrt den Gegenwartsoptimismus in eine Dystopie und setzt das Kind den biblischen Plagen aus. In Ausflug aufs Meer (Inspiration Leopold Kupelwieser) zielt Semen auf die Dekadenz der feinen Wiener Gesellschaft, die sich der Ernsthaftigkeit der prekären Situation nicht bewusst ist. Ein wahres Déjà-vu Erlebnis, das viele in der aktuellen Krisenzeit empfinden und kritisch über Akteure und die politische Weltbühne nachdenken lässt. Eine GreenART Ausstellung mit absolutem Tiefgang.